
Julia Scher &
Julia Schers Lip Sync-Serie, die Ende der 1980er-Jahre ihren Anfang nahm, ist ein zentraler Bestandteil ihres künstlerischen Schaffens. Diese Werkreihe geht weit über eine spielerische Auseinandersetzung mit Popkultur hinaus und beleuchtet tiefgreifende Themen wie Überwachung, Kontrolle und die Konstruktion von Identität. Im Kern des Lip Sync steht das Nachahmen von Songs, bei dem Scher bewusst mit Unvollkommenheit arbeitet: Ihre Lippenbewegungen passen nicht immer exakt zu den Texten, die Betonung wirkt oft fehl am Platz. Dieses absichtliche Missverhältnis thematisiert die Fragilität von Authentizität und betont, wie leicht Realität inszeniert werden kann. Ein zentrales Thema in Schers Werk ist die Unsichtbarkeit der Überwachung, die jedoch tief in das Verhalten der Menschen eingreift. Die Lip Sync-Serie macht diese Dynamik spürbar, indem sie den Akt des Nachahmens und der Selbstdarstellung als performative Handlung entlarven. Das bewusste ›Falschsein‹ verweist auf die Künstlichkeit jeder Selbstinszenierung – eine Parallele zur heutigen Selfie-Kultur, in der Menschen ihr digitales Ich kuratieren und filtern, um ein bestimmtes Bild nach außen zu vermitteln. Auch in der Wahl ihrer Songs verweist Scher auf narrative Kontrollmechanismen. Indem sie fremde Texte lippensynchronisiert, verzichtet sie auf eine eigene Stimme und spielt mit dem Gefühl von Sprachlosigkeit. Dieser Verzicht ist zugleich eine subtile Form des Widerstands: Die Künstlerin weigert sich, vollständig in den vorgegebenen Narrativen aufzugehen. Im Laufe der Jahre hat sich die Serie weiterentwickelt. Waren die frühen Arbeiten dynamisch und tanzlastig, so wirken die neueren Versionen ruhiger. Doch das Grundmotiv bleibt bestehen: der Wunsch nach Transformation und das Bestreben, Grenzen – ob physisch oder metaphorisch – zu überwinden. (Theresa Samimizad)
Die Arbeit ist immer freitags von 14 — 20 Uhr und samstags+sonntags von 12 — 18 Uhr im Blow up zusehen.